© Ulf Müller 2013
Ulf’s Blog
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Mongolei (23.-29.Juni)
Am mongolischen Zoll erwartet uns ein völlig stupides Prozedere. Wir fahren durchs Wasserbad, bezahlen für irgendetwas, für
das wir zwar die Quittung erhalten, aber bis heute nicht wissen, wofür es war und widmen uns dem Papierkrieg in dem
zentralen Zollgebäude. Wir werden von Schalter zu Schalter geschickt. Wir füllen mit Hilfe einer englischsprechenden Beamtin
Formulare aus und werden von ihr an den Schalter gegenüber verwiesen, der jedoch nicht besetzt ist. Eine Weile später
taucht dieselbe Beamtin an diesem Schalter auf und stempelt das Dokument, was sie ein paar Minuten zuvor für uns
ausgefüllt hat. Das ist übrigens jenes Dokument, welches wir ein paar Meter weiter einem anderen Beamten abgeben
müssen. Ich könnte noch weitere Beispiele nennen, wobei mir jedoch die Einzelheiten der Prozesskette bereits entfallen sind.
In einem schäbig aussehenden Hotel in Darkhan erwarten uns ein erstaunlich gutes und preiswertes Zimmer und eine
familiäre Küche. Da die Angestellten wohl auch gerade ihre Essenszeit haben, schiebt einer von ihnen einen hölzernen
Raumteiler zwischen unseren und ihren Tisch des kleinen Restaurants. Ich interveniere und mache deutlich, dass wir sie gerne
sehen würden und ihre Gesellschaft geniessen anstatt separiert hier zu sitzen. Sie genieren sich fast ein wenig, dass zahlende
Gäste ihnen beim Essen zusehen können – freuen sich aber sichtlich, dass wir zu den wohl wenigen Gästen gehören, die sich
nicht für etwas Besseres halten. Darkhan ist mit seinen achtzigtausend Einwohnern die drittgrösste Stadt der Mongolei.
Unser Weg nach Ulaanbaatar begeistert uns durch seine wundervolle Landschaft. Endlich ist Zeit, um eindrucksvolle Fotos zu
schiessen und ein paar Videos zu drehen. Hier wird deutlich, dass die Bevölkerungsdichte von durchschnittlich 2 Einwohnern
pro hundert Quadratkilometer wohl stimmen mag. Es ist unbeschreiblich, wie wunderschön die Landschaft ist. Ich hoffe wir
werden in den nächsten Tagen noch viele tolle Fotos machen.
Ungefähr 90 km vor der Stadt schaue ich nach langer Zeit einmal wieder kurz auf mein GPS, um abzuschätzen, ob das Benzin
in meinem Tank bis zur Stadtgrenze reichen wird, und dann erwischt es mich. Ich fahre durch das vermutlich schlimmste
Schlagloch dieser Reiseetappe und demoliere meine Vorderradfelge. Sie hat einen gewaltigen Schlag und das Rad eiert nun
um die eigene Achse. Zum Glück bleibt aber der Reifen auf der Felge und sogar der Schlauch bleibt dicht, sodass ich
weiterfahren kann. Auf der holprigen Strasse bemerke ich den Schlag im Rad kaum; lediglich beim Bremsen ist es ein sehr
unangenehmes Gefühl und das Vorderrad macht was es will. In Ulaanbaatar sind wir schockiert von den
Strassenverhältnissen. Dreispurige Strassen sind gepflastert mit Schlaglöchern und matschigen Erddurchfahrten, sodass der
Verkehr nur langsam vorankommt. Es ist wirklich anstrengend zumal sich das nächste Gewitter mit ersten Regengüssen
ankündigt. Endlich finden wir nach der Durchquerung der ganzen Stadt das Oasis Guesthouse. Endlich in der Oase in diesem
Drecksloch von Hauptstadt. Wir entscheiden uns, ein komplettes Ger (eine Jurte) zu beziehen und die nächsten Tage so zu
nächtigen, wie es die Mongolen tun. Natürlich gehört dazu, dass die Jurte nicht ganz winddicht ist und das Wasser in der
ersten regnerischen Nacht am Schornstein des eisernen Ofens entlang auf den Boden der Jurte läuft und sich langsam verteilt.
Naja, wir haben ja noch zwei freie Betten, auf denen wir unsere Sachen vor dem Wasser geschützt lagern können. Vielleicht
machen wir heute Abend ein Feuer in dem kleinen Ofen, denn es ist recht kalt nachts.
Zuvor geniessen wir die gute Küche des Oasis. Ich entscheide mich für den Goulasch mit Knödeln und ich glaube das ist der
beste Goulasch den ich je gegessen habe! Und dazu kommt, dass die Atmosphäre in diesem Gasthaus wirklich einzigartig ist:
hier ist es wie in einer grossen Familie und alles basiert auf einer tollen Vertrauensbasis. Man bedient sich selbst und trögt
alles auf seiner persönlichen Karte ein, die beim auschecken dann beglichen wird. Wir kommen schnell mit allen möglichen
Tischnachbarn ins Gespräch, ob mit Fredy und Monika aus der Schweiz, ob mit Penny und Igor aus Neuseeland, mit Sam aus
Montana oder … oder… so viele Overlander sind hier und jeder hat interessante Geschichten zu erzählen. Während die einen
beim Essen sitzen, schrauben andere an ihren Bikes oder Geländewagen, die nächsten sitzen vor ihren Laptops und wieder
andere wischen die ausgelaufene Erdnussbutter aus ihrem Rucksack. Ein toller Ort mit tollen Menschen und insbesondere
Sibylle ist eine tolle Persönlichkeit. Sie hat mit ihrem Mann René diesen wunderbaren Ort aus dem Nichts heraus erschaffen.
Bei ihr fühlt man sich direkt pudelwohl und wird in die Oasis-Familie integriert. Sie versprüht diese Lebensfreude und diesen
Elan, wie es nur wenige Menschen können. Und sie kümmert sich um jedes Einzelnen ihrer Schäfchen, das ist ein gutes
Gefühl. Schade, dass sie nach all den Jahren in der Mongolei wieder nach Deutschland zurückkehrt und das Schicksal des
Oasis im Herbst in neue Hände legen wird. Sie wollen sich nun auch dem Reisen widmen, anstatt immer nur die Reisenden zu
bewirten. Das ist verständlich und ich wünsche ihnen viel Freude dabei!
Ich mache also dann tatsächlich ein Feuer in dem kleinen Ofen in unserer Jurte. Das Holz liegt bereit und dieser kleine
gusseiserne Ofen ist genial: durch die schmale zylindrische Form des Brennraums und ein gute Frischluftzufuhr ist es ein
Leichtes, das Feuers mit nur einem kleinen Stück Papier zu entfachen. Ich lege zweimal Holzscheite nach und geselle mich in
meiner Daunenjacke wieder zu den anderen, die draussen Bier trinken. Bald entscheiden wir uns schlafen zu gehen und
öffnen die Tür der Jurte. Da kommt mir eine Hitze entgegen! Ich habe aus der kalten Jurte eine Sauna gemacht!! Es ist so
warm, dass wir die Tür eine Weile offen halten, denn mir läuft der Schweiss bereits herunter, obwohl ich nur in Unterwäsche
dastehe. Das hätte ich wirklich nicht erwartet! Was ich sehr wohl erwartet habe ist, dass am nächsten Morgen all unsere
Kleidung nach Rauch riecht…und so war es dann auch.
Wir verbringen beinahe den ganzen nächsten Tag damit, die Motorradgaragen zu finden, die uns im Oasis empfohlen wurden.
Wir haben deren ungefähren GPS-Koordinaten und probieren unser Glück. Eigentlich wollten wir den Verkehr in der Stadt
meiden und mit einem Taxi fahren. Das Problem ist jedoch, dass diese Werkstätten, wie viele Wohnhäuser auch, keine
Adresse haben. Entweder man weiss wo man hin will und kennt den Weg oder man hat Pech gehabt. Also nehmen wir doch
die Motorräder und durchqueren die völlig verstopfte Innenstadt in nördliche Richtung bis wir auf Lehmstrassen suchend
zwischen den Häusern hindurchfahren. Schliesslich finden wir eine der Werkstätten und es beginnt das übliche Spiel aus
„sorry, wir können dir nicht helfen, aber ich kenne jemanden, der wiederum jemanden kennt, der das benötigte Teil haben
könnte“. Vier solcher Etappen weiter, stehen wir in einem orangen Gebäude inmitten eines Wohngebietes, umgeben von
Schlammstrassen und ich traue meinen Augen kaum, als ich inmitten eines sauberen Showrooms stehe und mich die
neuesten KTM-Adventure-Modelle anlächeln. Wer würde hier nach einem Mototorradladen suchen? Und wer würde
erahnen, dass dies ein Laden sein könnte, wenn man vor diesem Gebäude steht? Naja, leider können uns auch diese Jungs
nicht helfen, aber schon bald habe ich wieder einmal ein wildfremdes Handy am Ohr und am anderen Ende eine
englischsprechende Frauenstimme. Sie sagt, sie hätte ein passendes Vorderrad für mein Motorrad. Da wir uns aber in der
Stadt überhaupt nicht auskennen, wollen uns zwei junge Burschen mit ihren Scootern zum Treffpunkt führen. All das hatten
wir ja bereits viele Male überall auf der Welt, jedoch verlieren wir die Buben bereits nach fünf Minuten im Verkehrschaos.
Nein, sie haben keine Rückspiegel und sie warten auch nicht auf uns. Genervt über die verschwendeten Stunden und nur
knapp von der Lösung meines Problems entfernt, kehren wir in unsere Herberge zurück. Ich entscheide mich noch auf der
Heimfahrt, dass ich es riskieren werde, mit der demolierten Felge die 4000 km bis Vladivostok zu fahren. Falls ich unterwegs
liegenbleibe ist das eine neue Situation für die es keinen Plan B gibt, aber ich bin zuversichtlich, dass es funktionieren wird.
Igor hat den Vergaser seiner BMW wieder zusammengesetzt und so werden wir am nächsten Tag gemeinsam mit ihm und
seiner Frau Penny losfahren, um das Dschingis Khan Denkmal zu erkunden. Vorher werden aber noch unsere Bikes vom
unnötigen Gepäck befreit und ein paar kleine Restarbeiten erledigt. Dann geniessen wir gemütlichen unseren Kaffee – OK
guys, let’s go!! Kommt irgendjemandem diese Situation bekannt vor? Na, es sind doch einige Biker unter den Lesern dieses
Blogs. Das ist doch so typisch, aber niemand zuvor hat das so schön in Worte gefasst, wie Penny ;-) Alle stehen herum,
vertrödeln Minuten oder Stunden und plötzlich im Bruchteil einer Sekunde muss es losgehen, sodass man den Rest seines
Kaffees stehen lassen muss, um mitzuhalten. OK guys, let’s go – das wir der running gag für die nächsten Wochen :-)
Die Strasse verwandelt sich bald in eine Dirtroad, auf der es richtig Spass macht zu fahren. So können wir endlich mal ein paar
Autos und Trucks einstauben, anstatt immer den Staub und Sand von vorausfahrenden Fahrzeugen im Gesicht zu haben. Nach
etwa einer Stunde Fahrt sehen wir plötzlich am Horizont etwas in der Sonne blitzen: das ist es! Je näher wir kommen, desto
grösser und eindrucksvoller wird der silberne Reiter mit dem grimmigen Gesicht. Er schaut gen Osten, nach China, und ist
entschlossen, dem Feind entgegenzureiten. Schliesslich fahren wir durch ein Portal und stehen unmittelbar vor diesem
beeindruckenden Koloss aus Stahl. Wir müssen wieder viele Schritte zurücktreten, damit dieser vollständig in der Linse
unserer Kameras Platz hat. Zunächst besuchen wir das Museum im Fusse des Monuments und dann steigen wir auf der
internen Treppe empor und treten aus seiner Brust ins Freie auf eine kleine Plattform. Gigantisch! Und auch die Aussicht ist
toll von hier oben. Wir haben es geschafft! Der Besuch dieser Statue war in unserer damaligen Reiseplanung eines der fernen
Ziele, die wir erreichen wollten. Nun sind wir hier und dies ist ein ganz besonderer Moment.
Wir verlassen die Mongolei auf gleichem Weg, wie wir eingereist sind und „freuen“ uns bereits wieder auf den Grenzübertritt
und dem Import unserer Motorräder nach Russland.
Die Mongolei war eines unserer wichtigsten Reiseziele, aber bereist im russischen Teil des Altaigebirges mussten wir von der
ursprünglich angedachten und so vielversprechenden Route quer durch das Land Abschied nehmen. Gut, dass wir gelernt
haben, dass es meist anders kommt als man denkt und dass Pläne zwar gut und wichtig sind, aber Flexibilität noch viel
wichtiger ist auf so einer Reise und im Leben generell. So kamen in den letzten Tagen auch noch mehrere Dinge zusammen,
die uns zum Entscheid geführt haben, möglichst schnell durch Russland nach Vladivostok, von dort nach Korea und dann nach
Kanada zu gelangen. Es sind einerseits diese schlimmen Überschwemmungen, welche Nevil’s Wohnort Canmore verwüstet
haben. Viele seiner Freunde haben ihre Häuser verloren und sein Haus ist nur knapp den Wassermassen entgangen. Seine
Familie wurde mehrfach evakuiert und er hat einige Tage des Bangens und Hoffens durchgemacht, bevor endlich die Situation
unter Kontrolle war. Wenige Tage später musste Nevil erfahren, dass sein Stellvertreter, welcher seinen Job während seiner
Abwesenheit erledigt, an Krebs erkrankt ist und aufgrund der startenden Therapie längere Zeit nicht arbeiten kann. Ich selbst
werde auch einige Dinge organisieren müssen, wenn ich von meiner Reise nach Hause zurückkehre und bin froh wenn ich
dafür noch ein paar freie Tage habe, bevor ich wieder ins Arbeitsleben zurückkehre. Fast nebensächlich, aber auch im
Hinterkopf, sind die anstehenden Reparaturen an meinem Motorrad, die unmöglich in der Mongolei und nur mit grossem
Zeitaufwand in Russland gemacht werden könnten; in Kanada jedoch sehr schnell und unkompliziert.
Wenigstens haben wir diesen kleinen Abstecher in dieses grosse Land machen können. Das reichte leider nur für wenige
Eindrücke, aber eines ist mir klar: ich muss wieder herkommen und dann will ich mehr sehen! Mehr Zeit, mehr Landschaft,
mehr unendliche Wiesen mit Blumen und Schmetterlingen, mehr wilde Pferde, mehr Natur, mehr strahlend blauer Himmel
mit fantastischen weissen Wolkengebilden, mehr Freiheit, weniger Menschen. Das nächste Mal reite ich vielleicht auf einem
Pferd durch die Mongolei, wer weiss?!
ROUND THE WORLD
2013
on motorbikes
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